FODMAP, SCD und die Ausrottung des Mikrobioms: Ist diverser immer = besser?
Der Forschungshype rund um das menschliche Mikrobiom scheint unaufhaltsam. In den letzten Jahren gab es unglaublich viele neue Veröffentlichungen rund um unsere Darmbewohner und das Thema ist mittlerweile nicht mehr nur etwas für esotherische Heilpraktiker, sondern längst auch in der Mainstream Medizin angekommen (wenn es nicht sogar von dort ausgegangen ist). Obwohl wir schon viel mehr über das Mikrobiom wissen als noch vor einem Jahrzehnt, gibt es dennoch einiges, was wir noch nicht wissen. Die Vielzahl unserer Mikrom ist noch nicht einmal sequenziert.
Diversität = Gesundheit?
Worüber sich allerdings (fast) alle einig sind, ist dass gesunde Menschen ein sehr diverses Mikrobiom haben. Das heißt sie beherbergen viele (hunderte?) verschiedene Arten in ihrem Darm. Menschen mit Darmkrankheiten (wie Morbus Crohn) zeichnen sich dagegen durch eine sogenannte ‚Dysbiose‘ aus. Das heißt, dass sie zwar nicht weniger Bakterien insgesamt, allerdings weniger verschiedene Arten haben. Einige Bakterien (womöglich eher pathogene) gewinnen also die Oberhand und verdrängen andere (mutmaßlich gesundheitsfördernde) Stämme im Kampf Lebensraum und Nahrung. So zumindest die gängige Erklärung. Die Ernährungsempfehlungen, die sich daraus ergeben, sind logisch: Es gilt, sich ein möglichst diversifiziertes Mikrobiom zuzulegen, da das ja einer der wichtigsten Indikatoren für Gesundheit zu sein scheint. Auch ich habe diesen Rat die letzten Monate/Jahre befolgt: Möglichst viele fermentierte Lebensmittel, am besten wild fermentiert, um noch mehr verschiedene Bakterienstämme aufzunehmen, und viele viele Ballaststoffe, um die kleinen Tierchen gut zu füttern.
Die letzten Wochen sah ich mich gezwungen, diese Sicht der Dinge zu hinterfragen.
Ausschlaggeben dafür waren verschiedene Beobachtungen: Ich kam gerade von einer Geschäftsreise nach Berlin zurück. Gezwungenermaßen aß ich dort alles mögliche, wovor ich mich normalerweise hüten würde. Meist asiatisch, Reis, Soja, sogar Unmengen glutenfreie Brötchen (ich will gar nicht wissen, was dort alles drin war). Und erstaunlicherweise ging es mir verdauungstechnisch fast besser als daheim. Während meines Aufenthalts in Kambodscha hatte ich die selbe Erfahrung gemacht, allerdings konnte ich es diesmal nicht auf die Entspannung schieben, denn dieser Geschäftstrip war alles andere als stressfrei.
CED Patienten sollten ihr Mikrobiom lieber nicht füttern
Vor ein paar Tagen dann fand ich eine Studie in meinem Newsfeed, die in etwa so lautete: „Mäuse mit künstlich induziertem Morbus Crohn haben weniger Symptome auf einer sehr fettreichen Diät, bei gleichzeitiger verringerter Diversität der Darmflora“. Das kam mir etwas komisch vor, bis ich, noch am selben Tag (oh Zufall) einen Podcast von Robb Wolf hörte, indem er Dr. Ruscio interviewte, welcher erzählte, dass er typischerweise bei Patienten mit CED (crohnisch entzündlicher Darmerkrankung, wie Morbus Crohn oder Colitis Ulcerosa) feststellt, dass diese unter Probiotika eher mehr Symptome als weniger haben. Er merkte auch an, dass der Kausalzusammenhang von diverse Darmflora => Gesundheit möglicherweise ein Trugschluss ist. Stattdessen würde bei seinen Patienten eine FODMAP Diät meist besser funktionieren.
Was sind FODMAPs?
FODMAP ist eine Abkürzung für Fermentierbare Oligo-, Di-, Monosaccharide und Polyole, was eine Gruppe von Kohlenhydraten sind, die besonders gern vom Mikrobiom verwertet werden. Eine FODMAP-arme Diät zielt also darauf ab, das Mikrobiom eher zusammenzustutzen, indem ihm die Nahrungsgrundlage entzogen wird. Die gleiche Idee steht eigentlich auch hinter der SCD-Diät, die genauso dafür entwickelt wurde, bestimmten Bakterien keine Nahrung mehr zu liefern.
Neurodermitis = Morbus Crohn = Hautbarrierestörung
Die Idee, seine Bakterienzahl eher zu verringern, wenn man an Morbus Crohn leidet, macht noch aus einem anderen Grund Sinn: Sowohl bei Neurodermitis als auch bei Morbus Crohn (die offenbar genetisch verlinkt sind) scheint eine Störung in der (Schleim-)hautbarriere vorzuliegen, die dazu führt, dass Bakterien leichter eindringen können. Es handelt sich bei beiden also nicht um eine Autoimmunkrankheit, sondern um eine Immunschwäche, und man tut gut daran zu verhindern, dass diese von Bakterien ausgenutzt werden kann.
Was uns zurückbringt zu dem Phänomen Urlaub: Der größte Unterschied zwischen meiner Ernährung auf Reisen und zu Hause ist meine verringerte Aufnahme von Ballaststoffen und fermentierten Produkten, die meine Mikroben füttern sollen und dadurch ging es mir offenbar viel besser. In der Tat habe ich seit ein paar Tagen angefangen, weniger FODMAPs zu mir zu nehmen und bisher tut mir das sehr gut. Wie genau eine FODMAP-arme Diät aussieht, werde ich dann demnächst berichten.