Mit Bakterien gegen Bakterien: Neue Neurodermitis-Cremes

Schon vor einigen Jahren hatte ich einen Artikel über die ‚Invasion der Kosmetikbranche durch Mikroben‘ geschrieben und bemängelt, dass es leider noch keine guten probiotischen Hautpflegeprodukte auf dem Markt gibt. Aus gegebenem Anlass habe ich mich nochmal um(ge)sehen (müssen) und wurde freudig überrascht!
Seit meinem letzten heftigen Neurodermitis-Schub im Sommer/Herbst 2015 sind nun schon 5 Jahre vergangen. Ich bin mir im Nachhinein nicht sicher, ob es an dem Medikament lag, dass ich damals nahm (Humira) oder an den Massen an Erdnuss- und Sesambutter, die aß (obwohl ich hätte ahnen können, dass das ein Problem sein würde), auf jeden Fall hatte ich den Schub in den Griff bekommen, indem ich Humira absetzte, auf Cortison umstieg und gleichzeitig eine Eliminationsdiät mit dem Autoimmunprotokoll machte. Gleichzeitig habe ich im Prinzip aufgehört, irgendwelche Pflegeprodukte zu benutzen, da ich den Verdacht hatte, auf das Sesamöl in meiner schweineteuren Neurodermitis-Bodylotion zu reagieren. Selbst Shampoo benutze ich seither nicht mehr. Seitdem hatte ich keinen nennenswerten Schub mehr, der genug Leidenspotential gehabt hätte, um mich zu großartigen Veränderungen zu motivieren.
Fast forward 5 Jahre und ich bin Mutter von einem wunderbaren 6 Monate alten Sohn, der nun leider auch schon anfängt, Ekzeme zu bekommen. Naturgemäß hat das Thema Haut plötzlich einen ganz neuen Stellenwert bekommen. Man kennt ja die Bilder und Berichte von Kindern, die von Kopf bis Fuß wundgekratzt sind und nachts kein Auge mehr zu tun. Von gestressten und verzweifelten Eltern, denen die Tränen beim Anblick ihrer Kleinen kommen.. (naja, zumindest ich kenne solche Bilder..). Seit einigen Wochen verwende ich daher einen Großteil meiner freien Zeit darauf, zu recherchieren, welche neuen Erkenntnisse es zum Thema Neurodermitis es gibt, welche Creme für welchen Zweck zu verwenden ist, ob Cremen nun gut oder schlecht ist, etc.
Zusammenfassend ist mein jetziger Stand:
- Ja, cremen kann präventiv wirken
https://dx.doi.org/10.1016%2Fj.jaci.2014.08.005
https://dx.doi.org/10.1371%2Fjournal.pone.0192443 - Nachtkerzenöl, Jojobaöl und Sheabutter haben positive Effekte auf die Hautbarriere
https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2016/daz-21-2016/hilfe-bei-neurodermitis - Kokosöl hilft besser als Olivenöl
https://doi.org/10.1111/ijd.12339 - Viele handelsübliche Cremes enthalten fragwürdige Stoffe
- Reines Öl zu verwenden scheint keine gute Idee zu sein, da es das Fett aus der Haut rauslöst
https://www.droemer-knaur.de/buch/dr-med-yael-adler-haut-nah-9783426276990
Wie die meisten chronischen Krankheiten ist auch Neurodermitis multifaktoriell und noch nicht abschließend ergründet. Man kennt einige Gene, die eine Rolle spielen, man weiß, dass die Krankheit mit anderen einhergeht (Asthma, Allergien, etc.) und dass Nahrungsmittelallergien eine Rolle spielen können. Außerdem weiß man, dass die Haut von Neurodermitis-Geplagten oft/immer mit einem Erreger names Staphylococcus Aureus besiedelt ist, der die Entzündung initiiert oder weiter zumindest unterhält. Viele Bestandteile von Cremes (so z.B. Jojobaöl) werden daher wegen ihrer Wirksamkeit gegen diesen Erreger verwendet. Leider ist es aber mit Bakterien oft so, dass es nicht nachhaltig ist, diese mit antibakteriellen Mitteln zu bekämpfen, da diese Mittel auch die ‚guten‘ Bakterien vernichten und die Infektion kurz nach dem Absetzen des Mittels zurückkehrt.
Nachdem mittlerweile die ganze Medizinwelt über das Mikrobiom des Darms spricht, wird mittlerweile zunehmend auch das Hautmikrobiom betrachtet. Natürlich ist auch unsere Haut voll von Mikroben, deren Nutzen und Unnutzen bisher nur in Teilen verstanden ist. Zwei neue Firmen haben nun versucht, sich die ’stille Macht der Mikroben‘ zunutze zu machen und die Tatsache auszunutzen, dass auch Bakterien um Lebensraum kämpfen und ihre Kontrahenden zu vertreiben suchen.
Reflora Skin – Mit Lactobacillus Fermentum gegen Staph. Aureus
Das deutsche Startup „Reflora Skin„, das von dem selbst von Neurodermitis betroffenen David Baumgarten gegründet wurde, hat dieses Jahr – pünktlich zum Neurodermitis-Tag – eine Creme auf den Markt gebracht, die einen Strang von Lactobacillus Fermentum enthält. Dieser soll besonders gut gegen Staph. Aureus helfen. Zwar sind die Bakterien in der Creme ‚tot‘, allerdings wirken die Stoffe, die Lactobacillus Fermentum produziert (hat), um Staph. Aureus auszurotten, trotzdem. In der EU ist es leider noch nicht erlaubt, lebende Bakterien in Kosmetika einzusetzen und die Creme ist leider kein Arzneimittel – logisch, da solche in klinischen Studien zu testen derartig kostenintensiv ist, dass man das von einem Startup nicht erwarten kann. RefloraSKIN heißt die Creme und kostet etwa 20€ für 50ml. Das ist nicht wenig, allerdings ist sie auch nur für die Anwendung auf kleinen, entzündeten Stellen gedacht und nicht als Basispflege für den ganzen Körper. Laut dem Gründer wird allerdings gerade an einer Basispflege gearbeitet, worauf ich sehr gespannt bin.
Meine eigenen Erfahrungen waren sehr positiv
Da es noch keine Erfahrung in der Anwendung bei klein(st)en Kindern gibt, habe ich die Creme erstmal an mir selbst getestet – und bin ziemlich begeistert. Ich habe sie mehrmals am Tag hinter einem Ohr aufgetragen, während ich das andere Ohr mit der Calendula-Creme meines Sohnes eingeschmiert habe – und nach etwa 2 Wochen ist mein rechtes Ohr völlig verheilt, während das andere immer noch etwas wund ist. Natürlich stellt sich der Erfolg nicht so schnell ein, wie bei einer Cortisoncreme, aber man darf hoffen, dass der Effekt dafür um einiges nachhaltiger ist.
Keine unnötigen Inhaltsstoffe
Was mir besonders an RefloraSKIN gefällt, sind die natürlichen Inhaltsstoffe wie entzündungshemmendes Hafermehl, Sheabutter, Hamamelis und Borretschsamenöl und die Tatsache, dass auf alles Unnötige möglichst verzichtet wurde. Die Flasche ist so gestaltet, dass möglichst keine Konservierungsmittel verwendet werden müssen, da kein Sauerstoff an die Mischung kommt. Auch Duftstoffe (die wirklich nichts in Neurodermitis-Cremes verloren haben) sucht man vergebens. Im Beipackzettel kann man die Bedeutung aller Inhaltsstoffe nachlesen und warum diese enthalten sind. So etwas habe ich bisher noch nie bei einer anderen Creme gesehen.
Lebende Bakterien aus Dänemark – bak probiotic skincare
Eine weitere neue Creme, auf die mich eine Freundin aufmerksam machte, kommt aus Dänemark und wird von einer Firma names bak probiotic skincare produziert. Anders als Reflora Skin hat es die Firma, die aus dem dänischen Biotech-Unternehmen Lactobio entsprungen ist, geschafft, die EU davon zu überzeugen, einen lebenden Bakterienstrang ihrer Creme hinzufügen zu dürfen. Da ihr gewähltes Bakterium Lactobacillus Plantarum zum Verzehr geeignet ist, ist es auch nicht verwunderlich, dass es als sicher gilt, es sich auf die Haut zu schmieren. Auf der Website der jungen Firma kann man sich über die vorausgegangene Forschung informieren und warum gerade dieser Bakterienstrang verwendet wurde.
Minimale Inhaltsstoffliste
Außer dem Bakterium enthält das ‚Concentrated Serum for Dry Skin‚ nur 7 weitere Inhaltsstoffe wie Sheabutter, Glycerin und Mandelöl, der Hauptwirkstoff ist hierbei also das Bakterium. Auf Konservierungsstoffe, Duftstoffe usw. wurde komplett verzichtet, sicher auch weil diese sich möglicherweise negativ auf die Lebensdauer der Bakterien auswirken würden. Daher riecht sie auch nicht besonders, was ich aber gar nicht schlecht finde. Anders als RefloraSKIN sollte die Creme vor Anbruch im Kühlschrank gelagert werden. Nach Anbruch ist sie ca. 6 Monate bei Raumtemperatur haltbar. Mit 55€ für 30ml ist die Creme extrem teuer, aber auch hier soll man nur kleinste Mengen auf betroffene Stellen zwei Mal am Tag einschmieren.
Der Vorteil von lebenden Bakterien ist natürlich, dass diese sich langfristig ansiedeln könnten, um somit das Hautmikrobiom nachhaltig zu verändern. Laut der Firma bak können die Bakterien auf der Haut allerdings nur 10-24 Stunden überleben. Ob sie sich langfristig ansiedeln, wenn man die Creme regelmäßig aufträgt, ist noch nicht untersucht. Allerdings führt bak gerade eine Studie an Neurodermitis-Betroffenen durch, deren Ergebnisse bald vorliegen werden. Wenn die Ergebnisse da sind, werde ich davon sicherlich berichten. Zu der Wirksamkeit ihrer Creme gegen Akne, die auch mit Bakterien arbeitet, liegen wohl schon positive Ergebnisse vor.
Da sich die Creme erst seit ein paar Tagen in meinem Besitz befindet, habe ich sie noch nicht ausreichend testen können, um die Wirkung zu beurteilen, werde aber auf jeden Fall berichten, wenn ich mehr weiß!
Vielen Dank für den tollen Beitrag! Bei einer gestressten, trockenen und zu Neurodermitis neigenden Hautbarriere brauchen wir genau so spannende Hautpflegeansätze! Die hautfreundliche Formulierung und die Wirkstoffe haben mich auch total von Reflora Skin überzeugt, hoffentlich kommt da bald die Basispflege. Mich würde aber wirklich deine Langzeiterfahrung mit der Reflora Skin Creme und dem Serum von bak probiotic skincare interessieren. Hast du vor da nochmal einen Beitrag zu schreiben? Liebe Grüße Hanna 🙂
Liebe Hanna,
vielen Dank für deinen Kommentar. Ich bin auch sehr froh über diese Entwicklung in der Kosmetik-Branche.
Ich finde es immer ein bisschen schwierig letztlich zu beurteilen, wie gut eine Creme (oder eine andere Intervention) geholfen hat, da die Neuro bei mir sooo tagesformabhängig ist. Ich habe z.B. den Eindruck, dass der Zustand meines Darms viel mehr Einfluss auf die Neuro hat als alles andere. Mein Crohn und meine Neurodermitis sind dabei scheinbar antiproportional verknüpft.. meine Einschätzung ist jedenfalls, dass vor allem die Reflora Skin meiner Haut sehr gut getan hat. Vor allem hatte ich keine Bedenken, sie auch bei meinem Säugling einzusetzen und bei ihm ist die Neurodermitis jetzt komplett weg (ob das jetzt an der Creme liegt oder an etwas anderem ist trotzdem schwer zu sagen). Empfehlen würde ich eher die Reflora, auch weil sie um einiges günstiger ist und auch einen kürzeren Transportweg hat und außerdem noch einige interessante Inhaltsstoffe über die Bakterien hinaus. Falls du irgendwann Erfahrungen damit machen solltest, würde es mich freuen, davon zu hören!
Liebe Grüße!