Wie Weizen Entzündung bei Colitis fördert: Von ATI und Mikroben
In einer Studie an Mäusen, die mit Weizen, mit Amylase Trypsin Inhibitoren oder ohne dergleichen gefüttert wurden, wurde festgestellt, dass beide Interventionen das Mikrobiom negativ beeinflussten und mit höheren Entzündungswerten in Mäusen mit Colitis einhergingen.
Was macht eigentlich Jan Wehkamp?
Als ich neulich nachgeschaut habe, wie die Forschung von Jan Wehkamp voran geht, von dem ich ein Fan bin, seit er die Defensin-Theorie zur Erklärung von Morbus Crohn entwickelt hat, stellte ich fest, dass er nicht nur gerade an der Erprobung von externen Defensinen arbeitet, sondern außerdem kürzlich ein Paper mitveröffentlicht hat, in dem es um Weizen geht. Neben dem Gluten, das mittlerweile schon einen ziemlich schlechten Ruf hat, beinhaltet Weizen (und andere glutenhaltige Getreidesorten) nämlich auch noch andere Proteine, die als Abwehrmechanismen wirken und die Pflanze vor Schädlingen schützen sollen. Die Rede ist von den sogenannten Amylase-Trypsin-Inhibitoren (ATI). Diese Proteine sind dafür da, die Pflanze davor zu schützen, gefressen zu werden. Leider können sie aber auch eine bisweilen recht starke Antwort unseres Immunsystems hervorrufen (über den Toll-like-Rezeptor 4 / TLR4), die dazu führt, dass sich unser Darm entzündet, was schon in mehreren Studien gezeigt wurde. Dieser Mechanismus ist schon so lange bekannt, dass die ATIs schon seit 2014 in der Leitlinie „Zöliakie, Weizenallergie und Weizensensitivität“ als mögliche Ursache für die Nicht-Zöliakie-nicht-Weizenallergie-Weizensensitivität diskutiert werden.
Weizen verschlimmert Colitis in Mäusen
In der neuen Studie wurde allerdings erstmals ein möglicher neuer Weg gezeigt, der bei der Entzündung bei Colitis eine Rolle spielen könnte. Die Forscher fütterten verschiedene Gruppen von Mäusen mit weizenbasierter oder weizenfreier Kost. Anschließend induzierten sie eine Colitis durch eine Methode, die die Barrierefunktion des Darms kompromittiert. Es zeigte sich, dass die Mäuse, die Weizen oder ATI zu fressen bekamen, signifikant höhere Colitis-Aktivität aufwiesen, schneller an Gewicht verloren und höhere Entzündungsmarker hatten. Dieser Effekt wurde auch an einem Mausmodell gezeigt, das spontane Colitis entwickelt. Außerdem stellten die Forscher fest, dass sich das Mikrobiom bei den Weizen-Mäusen negativ veränderte, eine geringere Diversität aufwies und anti-entzündliche Bakterien in verminderter Zahl vorhanden waren.
Sind Änderungen im Mikrobiom für die Entzündung verantwortlich?
Um zu testen, ob es das veränderte Mikrobiom war, welches die Entzündung verschlimmerte, machten die Forscher noch weitere Tests. Dafür wurden den Mäusen zu Beginn ihrer Diät mehrere Antibiotika verabreicht, die die Darmflora weitestgehend ausrotteten. Und tatsächlich entwickelten diese Mäuse keine Entzündungen. Bekamen sie dann allerdings den Stuhl von den zuvor Weizen-gefütterten Mäusen verabreicht, wurden sie so krank wie diese zuvor. Der Stuhl von weizenfreien Mäusen hatte einen geringeren inflammatorischen Effekt. Interessanterweise wurde allerdings ein Unterschied in der Entzündungsaktivität nur festgestellt, wenn die Antibiotika-behandelten Mäuse weiterhin eine Weizendiät bekamen. Aßen die Mäuse, die Antibiotika und danach eine Stuhltransplantation bekommen hatten, kein Weizen, war ihre Entzündungsaktivität gleich, egal, ob sie den Stuhl von Weizen-Mäusen oder Nicht-Weizen-Mäusen erhalten hatten. Daraus lässt sich folgern, dass es sowohl einer Weizendiät als auch des entsprechenden Mikrobioms bedarf, um die Entzündung zu verschlimmern.
Amylase-Trypsin-Inhibitoren spielen eine Schlüsselrolle
Zuletzt blieb noch die Frage, ob es wirklich die ATI im Weizen waren, die für diesen Effekt verantwortlich waren. Dazu wurde den Mäusen ein Futter gemischt, das zwar frei von Weizen, aber mit ATI angereichert war. Der Effekt auf Mikrobiom und Entzündung war etwa der gleiche wie bei der Weizendiät. Offenbar haben die ATI eine spezifisch antibiotische Wirkung auf bestimmte anti-inflammatorische Bakterien, was das Wachstum von eher pro-inflammatorischen Spezies begünstigt.
[…] in addition to the known ability of ATI to activate TLR4 on intestinal myeloid cells, a selective antibiotic activity of ATI explains their overall potent pro-inflammatory effect in the intestine.
Pickert et al., 2020, „Wheat Consumption Aggravates Colitis in Mice via Amylase Trypsin Inhibitormediated Dysbiosis“
Insgesamt kamen die Forscher zu dem Schluss, dass es wahrscheinlich das Zusammenspiel zwischen dem direkten TLR4-aktivierenden Effekt der ATIs und dem antibiotischn Effekt auf das Mikrobiom ist, der die Colitis in Mäusen verschlimmert.
Wie kann man sich helfen?
Die Forscher konnten zeigen, dass es (zumindest in Mäusen) immer erst eine Barrierestörung des Darms braucht, um eine Colitis zu entwickeln. Ohne, dass man eine genetische Prädisposition für eine chronische Darmentzündung hat (wie z.B. durch eine Mutation im NOD2/CARD15 Gen), braucht man sich nicht unbedingt Sorgen machen. Trotzdem scheint der Konsum von Weizen nicht gerade gut für’s Mikrobiom zu sein und hat möglicherweise auch auf andere Krankheiten, wie Multiple Sclerose, negative Auswirkungen, merken die Autoren an.
Our experiments in mice clearly demonstrate that ATI sensitize for acute inflammation but require additional adverse events such as a severe disturbance of intestinal barrier function for developing colitis.
Pickert et al., 2020, „Wheat Consumption Aggravates Colitis in Mice via Amylase Trypsin Inhibitormediated Dysbiosis“
In einem Nebensatz erwähnen sie außerdem, dass alte Weizensorten, wie Emmer oder Einkorn, geringere Bioaktivität von ATIs aufweisen. Ungeprüft, aber persönlich habe ich den Verdacht, dass es gerade die modernen Züchtungen sind, da das Ziel von heutigen Züchtungen ja oft auch die Resistenz gegenüber Krankmachern ist. Möglicherweise wurde so über die letzten Jahrzehnte der ATI-Gehalt künstlich in die Höhe getrieben. Die gute Nachricht ist aber: Bei der traditionellen Brotherstellung mit Sauerteig werden Teile der ATIs inaktiviert. Wie eine Studie zeigte, war der Effekt bei Hefe-Fermentation noch größer als bei der Fermentation mit Milchsäurebakterien, obwohl auch letztere in einer anderen Studie erfolgreich ATIs zerstören konnten. Auch in der hiesigen Studie wird der ATI-degradierende Effekt von einigen Lactobacillen bestätigt.
Fazit
Wenn man zu entzündlichen Krankheiten neigt, dann ist es wahrscheinlich keine schlechte Idee, glutenhaltige (weil ATI-haltige) Getreidesorten aus der Nahrung auszuschließen. Aber auch, wenn man Wert auf ein gesundes Mikrobiom legt, ist der Verzicht anzuraten.
Was mich besonders gefreut hat ist, dass als nächstes wohl Studien mit CED-Patienten geplant sind, die zeigen sollen, ob eine weizenfreie Ernährung hier helfen könnte. Mir scheint, als käme auch in der Schulmedizin langsam die Bedeutung von Ernährung für die Gesundheit an. Der Mikrobiomforschung sei Dank!
Quellen
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- Huang X, Schuppan D, Rojas Tovar LE, Zevallos VF, Loponen J, Gänzle M. „Sourdough Fermentation Degrades Wheat Alpha-Amylase/Trypsin Inhibitor (ATI) and Reduces Pro-Inflammatory Activity.“ Foods. 2020;9(7):943. Published 2020 Jul 16. doi:10.3390/foods9070943
- Junker, Yvonne et al. “Wheat amylase trypsin inhibitors drive intestinal inflammation via activation of toll-like receptor 4.” The Journal of experimental medicine vol. 209,13 (2012): 2395-408. doi:10.1084/jem.20102660
- Pickert G, Wirtz S, Matzner J, Ashfaq-Khan M, Heck R, Rosigkeit S, Thies D, Surabattula R, Ehmann D, Wehkamp J, Aslam M, He G, Weigert A, Foerster F, Klotz L, Frick JS, Becker C, Bockamp E, Schuppan D. „Wheat Consumption Aggravates Colitis in Mice via Amylase Trypsin Inhibitor-mediated Dysbiosis.“ Gastroenterology. 2020 Jul;159(1):257-272.e17. doi: 10.1053/j.gastro.2020.03.064. Epub 2020 Apr 3. PMID: 32251667.
- Zevallos VF, Raker V, Tenzer S, Jimenez-Calvente C, Ashfaq-Khan M, Rüssel N, Pickert G, Schild H, Steinbrink K, Schuppan D. „Nutritional Wheat Amylase-Trypsin Inhibitors Promote Intestinal Inflammation via Activation of Myeloid Cells.“ Gastroenterology. 2017 Apr;152(5):1100-1113.e12. doi: 10.1053/j.gastro.2016.12.006. Epub 2016 Dec 16. PMID: 27993525.
Hallo bei mir wurde vor 3 Jahren der Verdacht auf Colitis ulcerosa diagnostiziert.
Ich kann ebenfalls eine Verbesserung meiner Symptome zu Weizenverzicht bestätigen.
Im Schub und in der Schubfreien Zeit beobachte ich eine Verbesserung. Auch die Qualität vom Weizenbrot spielt eine Rolle wie ich selbst festgestellt habe. Aufbackbrötchen sind für mich das Schlechteste.