Reisen mit Crohn #1: Wie man einen Urlaub in Kambodscha überlebt
Vor dem Urlaub, den ich seit Monaten geplant hatte, hatte ich nicht nur sprichwörtlichen Schiss. Dass ich seit sage und schreibe 7 Jahren nicht wirklich im Urlaub gewesen war (mal von einem Wochenende hier und da abgesehen) kann ich allerdings gar nicht auf die Krankheit schieben, sondern einfach auf einen Mangel an Zeit und/oder Geld. Seit ich vor zwei Jahren auf die Spezielle Kohlenhydratdiät umgestiegen bin, gab es aber tatsächlich nicht einen Ausflug, wo ich nicht meine kleine Lunchbox dabeigehabt hätte. Wenn man allerdings vorhat, 3 Wochen durch Kambodscha zu reisen, lässt sich das nicht nur logistisch nicht regeln, man WILL ja auch gar nicht auf all die spannenden Dinge verzichten, die einen Urlaub in einem fernen Land erst ausmachen.
Meine Vorbereitung auf den Urlaub bestand aus einer weiteren Stuhltransplantation, zu der sich mein Freund bereit erklärte, und dem Präparieren einiger Notfallsnacks wie Beef Jerky, das ich problemlos mitnehmen konnte. Außerdem gönnte ich mir einen Tag vor Abreise noch eine Spritze Humira, welches ich abgesetzt hatte, da es möglicherweise mitverantwortlich für meinen letzten heftigen Neurodermitis-Schub war.
Ich wusste, dass ich in Kambodscha keine Chance hätte, irgendetwas zuckerfrei zu ordern oder ohne Reis zu überleben, aber ich wollte zumindest auf Gluten verzichten. Wie sich herausstellte, ist das in Südostasien lächerlich einfach, da Weizen ohnehin kein heimisches Gewächs ist und alles, was bei uns aus Weizenmehl gemacht wird, dort aus Tapioca oder Reismehl gemacht wird. Ich achtete stets darauf, frische Frühlingsrollen zu bestellen, die in Reispapier gewickelt sind, bis ich später, als wir am letzten Tag einen Kochkurs in Phnom Penh machten, erfuhr, dass auch die Hülle für die knusprigen, kleinen, fritierten Frühlingsrollen nur Tapiocastärke und Ei (ok, und Milch) enthält.
Auch auf unserer Durchreise durch Thailand verzichtete ich zunächst auf das allseits beliebte Pad Thai, bis mir klar wurde, dass auch hier nur Reisnudeln verwendet werden.
Um es kurz zu machen: Meine Horrorvisionen, dass ich den ganzen Urlaub nur auf der Toilette verbringen würde, waren komplett unbegründet. Ich war von Tag 1 an quasi symptomfrei und das, obwohl ich wirklich all die bösen Sachen aß, auf die ich die letzten Jahre verzichtet hatte. Jetzt könnte man sich natürlich fragen, ob es mir deshalb so gut ging, gerade WEIL ich all diese Dinge aß, aber ich glaube kaum, dass die großen Mengen Zucker und Soja derartig förderlich für den Darm sind. Was stimmen mag, ist, dass die Lebensmittel dort generell frischer und vitaminreicher sind, da sie nicht aus weiter Ferne angekarrt werden, aber stark industriell verarbeitete Lebensmittel gibt es natürlich auch in Kambodscha.
Was ich aber viel mehr für die Ursache meiner plötzlichen Wunderheilung halte ist gar nicht das Essen, sondern schlicht der Mangel an Stress. Dass Stress ein nicht unerheblicher Faktor vor allem bei chronischen Krankheiten ist, war mir zwar schon länger bewusst, aber dass der Einfluss dermaßen dramatisch ist, hätte ich nicht gedacht. Am gleichen Tag noch, als ich wieder nach Hause kam, waren meine Symptome auch schlagartig so schlimm wie seit Monaten nicht mehr. Gerade so als müsste ich nun die Zeche für all das zahlen, was ich gegessen hatte. Ich war schon drauf und dran wieder mit einer Überdosis Cortison gegenzusteuern als sich die Sache glücklicherweise nach etwa einer Woche Schonkost und Suppe wieder legte. Nachforschungen in diversen einschlägigen Facebook-Gruppen ergaben, dass viele Andere genau das gleiche Phänomen beobachteten: Während dem Urlaub fast völlig Symptomfreiheit.
Was ich daraus gelernt habe? Ich muss noch viel mehr als gedacht darauf achten, dass ich weniger Stress habe. Stress ist vermutlich nach Ernährung und Schaf die wichtigste Stellschraube in Bezug auf chronische entzündiche Krankheiten. Leider ist genau das für mich, wie auch für viele andere die schwerste aller Stellschrauben. Es ist schwierig, einen stressigen Job loszuwerden oder eine schwierige Beziehung. Man kann allerdings daran arbeiten, wie man mit diesen Dingen umgeht und wie sie auf einen wirken, denn der meiste Stress, den wir heutzutage haben, ist letztlich selbstgemacht und besteht nur aus Gedanken. Es gibt keine Tiger mehr in unserer Umgebung, die eine unmittelbare Gefahr darstellen, es gibt nur noch Deadlines. Wie wir auf diese reagieren, kann ganz unterschiedlich sein. Ich für meinen Teil versuche nun, die Sache mit Meditation anzugehen. Leider habe ich oft das Problem, beim Meditieren einzuschlafen, was wiederum auf ein Schlafdefizit zurückzuführen ist. An anderer Stelle habe ich aber gelesen, dass noch effektiver gegen Stress als Meditation und Yoga Stricken sein soll. Und da ja ohnehin gerade Weihnachten ist, ist das vielleicht ein guter Grund, einem eurer liebsten einen schönen Schal zu stricken..