Wer hat’s erfunden?
Die Spezielle Kohlenhydratdiät (engl. Specific Carbohydrate Diet – SCD) ist eine Ernährungsform, die in den 50er Jahren ursprünglich von einem Dr. Haas in Amerika entwickelt wurde, um Zöliakie-Patienten zu behandeln, die trotz glutenfreier Ernährung nicht beschwerdefrei wurden. Heute wird sie vor allem von Patienten mit chronischer Darmentzündung (wie Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa) angewendet und sogar zur Behandlung von Autismus.
Bekannt gemacht wurde die Diät von Elaine Gottschall, deren Tochter sehr früh an einer schweren Form von Colitis Ulcerosa erkrankt war. Als einen letzten Heilungsversuch, bevor ihrer Tochter der Darm entfernt werden sollte, wandte sich Frau Gottschall auf Empfehlung an den damals schon 92-jährigen Dr. Haas, der ihre Tochter auf die SCD setzte, woraufhin binnen Monaten der Großteil ihrer Symptome verschwand und sie innerhalb von zwei Jahren symptomfrei war. Zu dieser Zeit war Dr. Haas bereits verstorben und seine Methoden wurden von keinem seiner Nachfolger ernst genommen. Fasziniert und angestachelt von dem Erfolg dieser Diät begann Frau Gottschall mit 47 Jahren Biologie, Lebensmittelchemie und Zellbiologie zu studieren um die Funktionsweise der SCD zu erforschen. Die Ergebnisse ihrer jahrelangen Forschungen hat sie in ihrem Buch „Breaking the Viscious Cycle“ (dt. Ernährung bei Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa – endlich symptomfrei dank reizarmer Ernährung) zusammengefasst.
Was ist die Idee hinter der SCD?
Im Tiermodell konnte man schon oft nachweisen, dass chronische entzündliche Darmerkrankungen keine Chance haben, wenn keine Bakterien vorhanden sind. Neben der genetischen Prädisposition muss also das Mikrobiom im Darm eine entscheidende Rolle spielen. Man weiß, dass CED-Patienten eine geringere mikrobielle Diversität besitzen und die Vermutung liegt nahe, dass sich dadurch pathogene (also krankheitsfördernde) Keime besser verbreiten können. Ein Weg, diese pathogenen Keime auszurotten ist dabei (so die Hypothese) ihnen die Nahrungsgrundlage zu entziehen. Elaine Gottschall ist zu der Überzeugung gelangt, dass es vor allem Disaccharide (Zucker) und Polysaccharide (Stärke) sind, die diese Keime anfüttern. Daher werden bei der SCD (fast) alle Quellen dieser Nährstoffe eliminiert.
Ernährung nach der Speziellen Kohlenhydratdiät
‚Illegale‘ Nahrungsmittel
- alle Getreidesorten, wie Weizen, Roggen, Dinkel, Einkorn, Hafer, Gerste
- glutenfreie Stärkearten wie Reis, Johannisbrotkernmehl, Guarkernmehl, Süßkartoffeln, Kartoffeln, Maniok, etc.
- Pseudogetreide wie Chia, Amaranth, Quinoa
- stärkehaltige Gemüsesorten, wie Mais, Soja, Kartoffeln, Süßkartoffeln, Bohnen und Linsen nur eingeschränkt
- Laktose
- Zucker und Zuckerarten wie Agavendicksaft, Ahornsirup, Kokosblütenzucker
‚Legale‘ Lebensmittel
- Alle sonstigen Gemüsesorten
- Fleisch
- lange gereifte Käsesorten, die keine Laktose mehr enthalten
- selbstgemachte Milch- und Joghurtprodukte, die mindestens 24h fermentiert wurden
- Honig
- Nüsse, Samen, Kerne
Eine genaue Liste der erlaubten und unerlaubten Lebensmittel findet ihr auf dieser Seite.
Ergibt die SCD Sinn?
Wir wissen leider noch zu wenig darüber, um Genaues zu wissen, aber ich halte die Idee, das Mikrobiom durch Ernährung zu modellieren, für sehr einleuchtend. Allerdings gibt es ein paar Dinge, die bei der SCD für mich keinen Sinn ergeben, weshalb ich sie nicht mehr so strickt verfolge wie noch zu Beginn. Die SCD ist z.B. seeeehr genau dabei, keine noch so kleinen Mengen Haushaltszucker (Saccharose) zuzulassen (auch nicht, wenn sie bspw. in kleinen Mengen in Wurstwaren enthalten sind), erlaubt aber gleichzeitig den Verzehr von Honig und Obst, wo immer zu einem gewissen Prozentsatz diese Zuckerart enthalten ist. Außerdem verbietet die Diät strickt alle Arten von Stärke bzw. Polysacchariden, erlaubt aber Kürbis und Kastanien, die voll von Polysacchariden sind. Einige Kohlenhydratarten, zum Beispiel die Stärke, die in grünen Bananen oder abgekühltem Reis vorhanden sind, füttern nachweislich höchst vorteilhafte Bakterien, wie Faecalibacterium Prausnitzii, doch genau diese Stärkearten sind bei der SCD verboten, da sie angeblich die bösen Bakterien füttern.
Die Zukunft der SCD
Kurzum, die Forschungslage ändert sich ständig, aber die SCD ist in ihren Empfehlungen mit Elaine Gottschall eingefroren worden, weshalb ich glaube, dass sie in Zukunft durch ein anderes Modell abgelöst werden sollte. An der UMass Medical School wurde zum Beispiel eine neue Diät entwickelt, die sich als Weiterentwicklung der SCD versteht. Die Grundlage ist die gleiche, allerdings wurden hier bewusst einige probiotische Nahrungsmittel hinzugefügt, die bei der SCD verboten sind. Sie nennt sich IBD-AID (für Anti-Inflammatory-Diet) und wurde auch schon erfolgreich an Patienten getestet. Die SCD kann allerdings verfügt allerdings auch schon über eine ganze Reihe kleiner Studien und Case-Reports, die ihre Wirksamkeit nahelegen. Solange wir mehr wissen und wirklich sagen können, was nun die optimale Ernährung bei CED ist, ist die SCD oder auch die IBD-AID eine sehr gute Grundlage. Meiner Meinung nach braucht man sie aber nicht verfolgen wie ein Evangelium, sondern sollte sich flexibel zeigen, wenn neuere Forschungen andere Empfehlungen machen.
Titelbild von Gabriel Gurrola auf Unsplash