Louwens Tipps für eine bessere Geburt (und die Louwen-‚Diät‘)

Eins vorneweg: Die Louwen-‚Diät‘ gibt es nicht – das sagt zumindest Prof. Louwen selbst.
Prof. Dr. med. Frank Louwen ist Leiter der Geburtshilfe und Pränataldiagnostik an der Uniklinik Frankfurt, wo er alle zwei Wochen einen Vortrag zum Thema Geburt im Rahmen der Informationsveranstaltung für werdende Eltern hält. Einige Bekannte hatten mir schon vorher berichtet, dass dieser Vortrag ein ‚Highlight‘ wäre, das man sich nicht entgehen lassen sollte. Deshalb haben mein Mann und ich uns auch zeitnah auf den Weg gemacht ins Auditorium der Geburtshilfe.
Da hätten wir allerdings früher aufstehen (bzw. aufbrechen) müssen, denn schon eine halbe Stunde vor Beginn der Veranstaltung war der Hörsaal brechend voll und kein Sitzplatz mehr weit und breit.
Es hat sich allerdings in jeder Hinsicht gelohnt, auszuharren, denn der Vortrag, der dann folgte, war tatsächlich nicht nur sehr informativ, sondern auch sehr unterhaltsam. Fast drei Stunden lang hat Herr Louwen mit Hilfe eines ganzen Arsenals pantomimischer und schauspielerischer Mittel die Wehen und den Geburtsvorgang erläutert. Keine schlechte Leistung, wenn man außerdem bedenkt, dass er dieses Spektakel zwei Mal im Monat seit Jahren betreibt. Die Ratschläge, die Louwen dabei verteilt hat, fand ich so wertvoll, dass ich sie an dieser Stelle gern teilen würde, da mir das so genau kein Geburtsvorbereitungskurs oder YouTube Video bisher erläutert hatte.
Wie kommt man nun zu einer schnellen und schmerzfreien Geburt? Laut Louwen sind es vor allem drei Faktoren, die man beeinflussen kann.
1. Die Louwen-‚Diät‘
Die Louwen-‚Diät‘, die eigentlich gar keine ist, besagt im Prinzip nur folgendes:
Halte deinen Blutzuckerspiegel in den letzten sechs Wochen vor der Geburt im Rahmen, und du bist save!
frei nach Prof. Dr. med. Frank Louwen
Aber warum? Laut Louwen liegt der Grund im Prostaglandin. Das ist ein Hormon, das im Körper eine ganze Reihe von Funktionen erfüllt (wie im Übrigen alle Hormone) wie zum Beispiel Schmerzverarbeitung oder aber -Achtung!- die Reifung des Muttermundes. In den letzten sechs Wochen vor der Geburt fängt die Gebärmutter an, große Mengen von diesem Hormon zu produzieren. Gleichzeitig werden am Muttermund Rezeptoren für dieses Hormon gebildet. Wenn nun Prostaglandin auf die Rezeptoren am Muttermund stößt, wird dieser geöffnet – das sind dann die Eröffnungswehen, die den Muttermund weiten, sodass das Baby passieren kann. Allerdings stoppe die Gebärmutter die Produktion von Prostaglandin, wenn der Blutzuckerspiegel zu hoch sei, so Louwen. Das Ergebnis ist, dass es zu wenige Rezeptoren am Muttermund gibt, dieser sich nicht öffnen kann und das ganze Prostaglandin irgendwo anders andockt. Und da es so ein universelles Hormon ist, wären vor allem die Schmerzrezeptoren – Voilà Schmerzen! Denn wenn die Geburt erstmal angelaufen ist, wird Prostaglandin auf Hochtouren produziert und dieses will irgendwo andocken.
Messbar kürzere/termingerechtere Geburten
Auf diesen Zusammenhang ist man gestoßen, da man feststellte, dass Mütter mit schlecht eingestelltem (Schwangerschafts-)Diabetes längere, schmerzhaftere und auch spätere (über Termin) Geburten haben. Louwen erzählte dann, dass er mit Hilfe seines Vortrags auch eine Studie angefangen hatte, die testen sollte, ob das Wissen um diesen Zusammenhang zu einer kürzeren/schmerzfreieren/früheren Geburt führt. Dafür erwähnte er die ‚Louwen-Diät‘ vor den Zuhörern des ersten Vortrags im Monat und ‚verschwieg‘ sie gegenüber deren des zweiten Vortrags im Monat. Die Hebammen der umliegenden Krankenhäuser machten mit, indem sie die gebärenden Frauen fragten, ob und wann sie Louwens Vortrag gehört hatten (ohne dass sie selbst wussten, worum es ging). Nach sechs Monaten musste Louwen das Experiment abbrechen, da er es unverantwortlich fand, der Hälfte der Zuhörer diese Informationen zu enthalten. Scheinbar hatte allein das Wissen der Mütter um die Relevanz des Blutzuckers einen signifikanten Effekt auf den Verlauf ihrer Geburten gehabt.
Wie hält man den Blutzuckerspiegel im Rahmen?
Ziel ist es also, den Blutzuckerspiegel möglichst niedrig (oder zumindest nicht übermäßig hoch) zu halten. Louwens Empfehlung ist daher, auf Brot, Nudeln, Reis, Kuchen, Süßes, etc. zu verzichten. Zumindest für die sechs Wochen vor Geburt. Ich habe mich allerdings gefragt, inwiefern süßes Obst auch zu den Übeltätern zählt. Da ich es genauer wissen wollte, habe ich mir dann ein Blutzuckermessgerät zugelegt und ständig gemessen. Es ist ein immer ein bisschen schwer zu sagen, wann nach einer Malzeit der Blutzuckerspiegel am höchsten ist (das hängt vor allem davon ab, in welcher Form man die Kohlenhydrate zu sich nimmt) – ich habe teils 30, 60 oder 90 Minuten danach gemessen – aber zumindest lag der Wert bei mir selten über 120mg/dl, und war meist eine Stunde später schon wieder im Normalbereich (<100). Ich habe dazu extra nochmal mit Dr. Louwen Rücksprache gehalten und er versicherte mir, dass die Werte topp seien.
2. Bei Eröffnungswehen warm baden, danach aber NICHT mehr
Hier geht es wieder um Prostaglandin, aber auch um Oxytozin. Von Oxytozin haben viele vermutlich schon gehört, sei es im Zusammenhang mit der Geburt oder auch deshalb, weil es das ‚Kuschelhormon‘ genannt wird. Oxytozin ist auch so ein Hormon, das noch eine ganze Menge anderer Aufgaben hat, aber während der Geburt ist es vor allem für die Wehen zuständig. Nicht allerdings für die Eröffnungswehen, die erstmal nur den Muttermund weiten sollen. Diese Aufgabe übernimmt, wie gesagt, das Prostaglandin. Und die Ausschüttung dessen kann man fördern, indem man sich in die warme Badewanne legt. Die Wärme führt anscheinend dazu, dass die Prostaglandinproduktion so richtig angeregt wird. Gleichzeitig wird die Ausschüttung von Oxytozin dabei unterdrückt. Wenn also das Oxytozin zu früh seinen Dienst antritt und das Kind austreiben will, bevor überhaupt der Muttermund weit genug geöffnet ist, ist es eine gute Idee, sich in die warme Badewanne zu legen. Ich für meinen Teil habe mich direkt bei den ersten Wehen in die Wanne gelegt und lag dort fünf Stunden, während mein Mann mir vorgelesen hat. Ich kann’s nur empfehlen.
Gleichzeitig heißt das aber, dass man schleunigst aus der Badewanne verschwinden sollte, wenn es Zeit ist, das Baby durch den Geburtskanal zu schieben (sprich, wenn der Muttermund ganz offen ist und das Prostaglandin seine Arbeit erledigt hat). Denn dafür braucht es nun Oxytozin. Von einer Wassergeburt rät Dr. Louwen deshalb ab. Es sei denn, das Wasser ist mittlerweile ohnehin nicht mehr warm, sondern kalt. Es gibt allerdings noch einen Grund, warum man evtl. von einer Wassergeburt absehen sollte, denn es ist nicht klar, was mit den Bakterien passiert, die das Kind beim Durchgang durch die Vagina einsammeln soll und die die Grundlage für seine Darmflora darstellen. Dazu gibt es bisher (so weit ich weiß) noch keine Untersuchungen.
3. Niemals auf den Rücken legen!
Der letzte Tipp ist auch sehr einfach zu befolgen und jede Frau sollte ihn beherzigen. Auf dem Rücken liegen während der Geburt ist aus mehreren Gründen suboptimal. Zum einen drückt die Gebärmutter mit ihrem ganzen Gewicht auf die untere Hohlvene, was euch und eurem Kind die Sauerstoffzufuhr abdrücken kann (aus dem gleichen Grund sollte man ohnehin ab dem dritten Trimester nicht mehr auf dem Rücken liegen), außerdem kann es aber passieren, dass das Kind sich in die falsche Richtung dreht und dann mit dem Gesicht nach oben geboren wird.
Das Kind muss sich nämlich während des Durchtritts durch den Geburtskanal zwei Mal drehen und in welche Richtung es sich dreht hängt auch davon ob, wie ihr steht, liegt oder hängt. Liegt ihr auf dem Rücken, zieht die Schwerkraft den Rücken des Kindes in Richtung eures Rückens, sodass das Gesichtchen dann nach oben zeigt. Und das ist deshalb ein Problem, da plötzlich der Durchmesser des Kopfes größer wird, mit dem das Kind durch den Geburtskanal muss. Warum das so ist, hat Dr. Louwen in einer wunderbaren Performance demonstriert. Ihr könnt aber auch bei YouTube Videos dazu finden.
Die Empfehlung ist also, zum Beispiel im Vierfüßlerstand zu gebären, am besten in etwas aufrechter Position, damit die Schwerkraft noch mitarbeiten kann. Mir ist allerdings klar, dass das sehr anstrengend werden kann. Alternativ kann man sich auch auf die Seite legen, wenn es die Kraft nicht mehr zulässt, auf den Knien zu sitzen oder zu stehen.
Ein weiterer Vorteil des Vierfüßlerstands ist, dass sich bei der Geburt der Druck auf den Damm verringert. Aus persönlicher Erfahrung kann ich allerdings sagen, dass der Damm auch reißen kann, wenn man alles ‚richtig‘ gemacht hat.. aber keine Angst, meist spürt man davon überhaupt nichts.
Fazit
Ich habe während meiner Schwangerschaft und Geburt versucht, alle diese Ratschläge umzusetzen und kann nur sagen, dass ich eine superschnelle und angenehme Geburt erlebt habe. Ob es nun an Louwen liegt oder Zufall war, lässt sich natürlich nicht sagen. Es hätte natürlich auch ganz anders laufen können und irgendwelche Komplikationen auftreten können. Jede Geburt ist anders. Schaden kann es allerdings überhaupt nicht, anzuwenden, was hier vorgeschlagen wird. Den Blutzuckerspiegel unter Kontrolle zu bringen wird euch euer Körper immer danken und die Geburt in aufrechter oder vornübergebeugter Geburt hat euch eure Hebamme sicherlich ohnehin schon empfohlen.
Wenn ihr im Rhein-Main-Gebiet wohnt, kann ich euch auf jeden Fall empfehlen, euch Louwens Vortrag live anzuschauen, sobald er denn wieder stattfindet (denn er ist Corona-bedingt zur Zeit ausgesetzt). Normalerweise findet er jeden 2. und 4. Montag im Monat um 18:30 im Hörsaal der Geburtshilfe Haus 14, 2. Etage der Uniklinik statt. Aber kommt rechtzeitig: Mindestens 30 Minuten vor Beginn! Und lasst eure männliche Begleitung gleich auf der Treppe sitzen, denn Louwen wird zu Beginn sowieso alle Männer auffordern, Platz für die schwangeren Damen zu machen.. 😉
Weiterführende Infos der Geburtshilfe gibt’s hier: https://www.kgu.de/einrichtungen/kliniken/klinik-fuer-frauenheilkunde-und-geburtshilfe/geburtshilfe/fuer-werdende-eltern/
Disclaimer: Ich habe hier versucht, die Empfehlungen, die ich in Louwens Vortrag gehört habe, nach bestem Wissen und Gedächtnis wiederzugeben. Es ist möglich, dass ich Dinge falsch verstanden habe, verkürzt oder inkorrekt wiedergebe. Fragt immer eure/n Frauenarzt/ärztin oder Hebamme!
Titelbild von Alexandr Podvalny auf Unsplash