Rezension: Die Alzheimer Revolution von Dale Bredesen
Ich weiß nicht, warum deutsche Buchtitel immer so reißerische Namen haben müssen. Es ist mir fast peinlich zu sagen, dass ich einen Titel names ‚Die Alzheimer Revolution‘ gelesen habe und lieber hätte ich das viel eleganter klingende englische Pendant ‚The End of Alzheimer’s‘ gelesen, hätte ich das Buch nicht nach der Lektüre an jemanden weitergeben wollen, der kein Englisch spricht.. Ich habe jedenfalls gelernt, dass es nicht die Autoren sind, die sich die Titel ihrer Bücher ausdenken, sondern die Verlage.
Das Buch habe ich mir zugelegt, da es in meiner Familie gerade mehrere Fälle gibt von Gehirnen, die nicht mehr so optimal funktionieren, wie einst. Dabei ging es mir allerdings nicht nur um Alzheimer, sondern um Gehirn-Gesundheit im Allgemeinen.
Der Autor
Dr. Dale E. Bredesen ist ein kalifornischer Neurologe, der seit einigen Jahrzehnten nun schon mit seiner Gruppe an den Ursachen von Alzheimer forscht. Vor kurzem ist seinem Labor eine Studie gelungen, in der sie bei einer Hand voll Alzheimer Patienten eine Besserung bzw. Heilung erreichen konnten. Beruhend auf diesen Studienergebnissen wurde das Buch ‚The End of Alzheimer’s‘ veröffentlicht.
Der Inhalt
Bredesen beginnt mit der Schilderung der deprimierenden Lage, in der sich die Alzheimer Forschung zur Zeit befindet. Alzheimer wird nicht nur deshalb gefürchtet, weil es einem die Persönlichkeit lange vor dem Leben raubt, sondern auch, weil die Medizin bisher noch kein einziges Mittel kennt, das ansatzweise den geistigen Verfall verlangsamen, geschweige denn umkehren könnte. Seit 2011 sei kein neues Medikament mehr zugelassen worden und das obwohl viel Geld in die Forschung fließt und viele neue, vielversprechende Medikamente getestet wurden. Die Forschung verfolgt dabei eine Theorie zur Entstehung von Alzheimer, die schon so alt ist wie der Name der Krankheit. Da man in den Hirnen verstorbener Alzheimer-Patienten immer sehr typische Amyloid-beta-Plaques findet, liegt der Schluss nahe, dass es diese zu bekämpfen gilt. Doch alle Medikamente, die auf diesem Ansatz beruhen, scheitern.
Amyloid-beta als Schutzfunktion des Hirns
Die Gruppe um Bredesen hat in ihrer jahrzehntelangen Forschung eine andere Theorie aufgestellt, wonach die gefürchteten Plaques keineswegs die Ursache, sondern eher die Auswirkung von Alzheimer sind. Der Theorie zufolge ist die Bildung von Amyloid-beta eine Schutzfunktion des Hirns, das sich schädlichen Umwelteinflüssen durch beispielsweise Giften, Nährstoffmangel oder Entzündung ausgesetzt sieht. Dadurch wird auch klar, warum es manchen Menschen sogar schlechter geht, wenn sie Medikamente einnehmen, die die Plaques entfernen. Der Fokus müsste laut Bredesen demnach nicht etwa auf der Entfernung, sondern der Verhinderung der Plaques liegen, und das lässt sich bewerkstelligen, indem man dem Gehirn gibt, was es braucht (die richtigen Nährstoffe) und verhindert, was ihm schadet (Toxine und Entzündungen).
Diesen Ansatz zu testen ist mit unserem modernen Forschungssystem allerdings nicht ganz einfach (euphemistisch gesagt), denn prinzipiell gilt als gute Studie eine solche, die genau EINEN Faktor überprüft. Wenn man also ein ganzheitliches Programm testen will, das viele Variablen gleichzeitig verändert (wie die Aufnahme vieler Nährstoffe), dann ist es nicht leicht, dafür Fördergelder zu erhalten. Ganz abgesehen von der Tatsache, dass man mit Nahrungsergänzungsmitteln kein Geld im großen Stil machen kann.
ReCODE – Reversing Cognitive Decline
Das Programm, dass Bredesens Gruppe entwickelt hat, nennt sich ReCODE (Reversing Cognitive Decline) und beruht auf einem sehr personalisiertem Ansatz, der viele Gen- und Bluttests enthält um den aktuellen Nährstoff- und Vergiftungsstatus des Patienten zu bestimmen. Ausgehend von diesen Ergebnissen wird dann eine besondere Diät und viele Nahrungsergänzungsmittel empfohlen, wobei die Bluttests engmaschig kontrolliert werden sollten. Die einzuhaltende Diät erinnert stark an das, was von der ketogenen oder Paleo-Diät oder auch dem Wahls Protokoll gewohnt ist. Der Schwerpunkt liegt dabei auf frischem Gemüse, wobei vor allem stärkearmes Gemüse empfohlen wird. Der Kohlenhydratgehalt der Nahrung sollte soweit reduziert werden, dass der Körper in eine leichte Ketose kommt (ein Zustand, in dem man Fett statt Glukose verbrennt). Diese Idee, das Gehirn durch Fett statt Zucker mit Energie zu versorgen, ist eine, die mir immer wieder begegnet, wenn es um Krankheiten des Gehirns geht. Sei es Terry Wahls, die eine ähnliche Diät für Multiple Sklerose empfiehl oder Dave Asprey in seinem Buch ‚Hirntuning‘. Die Ketogene Diät ist außerdem seit den 50ern eine anerkannte Therapie für Epileptiker und es gibt immer mehr Hinweise darauf, dass sie auch bei Migräne helfen soll. Es wundert mich daher überhaupt nicht, dass auch Bredesen eine fettreiche Ernährung empfiehlt. Es scheint so zu sein, dass wenn unser Hirn erstmal wieder gelernt hat, mit Fett zu heizen, dieses eine viel stabilere Energiequelle darstellt als Zucker, den wir im Körper nur schwer speichern können (es sei denn in der Form von – Fett).
Laut Bredesen hat er das Programm schon hunderten seiner Kollegen vermittelt, die damit wiederum hunderte von Patienten erfolgreich behandelt haben. Wenn das, was er sagt, tatsächlich stimmt, dann hat sein Buch zu recht den Titel ‚Revolution‘ verdient. Bleibt zu hoffen, dass diese Revolution bald auch den Mainstream überrollen wird.
Das Buch
Ich habe das Buch an zwei Tagen durchgelesen, da es nicht furchtbar dick ist und außerdem spannend geschrieben. Bredesen erklärt seine Theorie anhand wissenschaftlicher Fakten, die trotzdem leicht verständlich und auch für den Laien nachvollziehbar sein sollten. Das Buch ist gespickt mit Anekdoten und Erfahrungsberichten von Patienten, die einen einerseits skeptisch machen (denn irgendwie klingt das alles doch zu schön um wahr zu sein), zum anderen einen aber auch bei der Stange halten, da sie über die längeren Passagen hinweg helfen. Ich kann das Buch jedem empfehlen, der bei sich selbst die Anfänge von einer kognitiven Störung beobachtet, oder Angehörige hat, bei denen das der Fall ist.
Quellen
- Das Buch beim mvg-Verlag: https://www.m-vg.de/mvg/shop/article/14359-die-alzheimer-revolution/
- Bredesen DE, Amos EC, Canick J, et al. (2016). Reversal of cognitive decline in Alzheimer’s disease. Aging (Albany NY).
- Elizabeth G Neal, Hannah Chaffe, Ruby H Schwartz, Margaret S Lawson, Nicole Edwards, Geogianna Fitzsimmons, Andrea Whitney, J Helen Cross (2008). The ketogenic diet for the treatment of childhood epilepsy: a randomised controlled trial