Was aus dem Tübiom-Projekt geworden ist #2: Eine neue Pille gegen Fett
In einem früheren Artikel hatte ich vom Tübiom-Projekt berichtet, dass es sich zum Ziel gesetzt hatte, Stuhlproben aus der ganzen Nation zu sammeln und so eine Datenbank zu erstellen, die bestimmte Mikrobiom-Zusammensetzungen mit bestimmten Krankheiten und Lebensstilen zusammenbringen könnte. Leider ist das Projekt an seinem Anspruch gescheitert und es kam nie zu einer Veröffentlichung der Daten.
Das Tübiom-Projekt war damals von der CEMET (Center for Metagenomics) gestartet worden. Die CEMET ist eine GmbH, die sich vor allem auf die Analyse des Mikrobioms spezialisiert hat. Mit 40% hatte sich damals der Gründer der Asklepios-Klinikkette als Gesellschafter eingekauft und damit das Tübiom-Projekt finanziert, daher ist die CEMET eng an das Krankenhaus angeschlossen.
Mit Probiotika zur Traumfigur
Scheinbar waren die Daten, die man innerhalb des Tübiom-Projekts gesammelt hatte aber doch nicht völlig für die Katz, denn CEMET hat mittlerweile ein Produkt auf den Markt gebracht, dass die Erkenntnisse der Darm-Hirn-Achse in ein Probiotikum gießt, dass wohl bei Adipositas eingesetzt werden soll. Die Pille heißt „2bgracieux“, was man in etwa als „anmutig sein“ übersetzen könnte. So ganz genau wird zwar auf der Website nicht gesagt, dass es sich hier um eine Schlankmach-Pille handelt, es wird allerdings vom Vagus-Nerv, dem Belohnungszentrum und dem Einfluss der Mikroben auf Geschmacksrezeptoren gesprochen. Ob die Macher diesen Anwendungsfall deshalb gewählt haben, weil es zum Thema Adipositas (im Gegensatz zu vielen anderen Krankheiten) klare Daten über den Nutzen und die Wirkung bestimmter Mikroben gibt, oder ob man mit Abnehm-Pillen am meisten Geld machen kann (was vermutlich nötig ist, wenn man so ein ambitioniertes Projekt in den Sand setzt), kann ich nicht sagen.
Um mich nicht falsch zu verstehen, ich bin mir sicher, dass dieses Probiotikum viel seriöser als viele andere auf dem Markt ist, denn die Firma mit ihrem wissenschaftlichen Hintergrund macht mir einen sehr kompetenten Eindruck. Ich bin lediglich etwas enttäuscht, dass der erste Anwendungszweck, den man verfolgt hat, das Thema Fettleibigkeit ist und nicht beispielsweise Morbus Crohn. Das ist aber zugegeben ein sehr egoistischer Wunsch, denn an Adipositas leiden wahrscheinlich viel mehr Menschen als an Crohn und viele davon leiden nicht nur körperlich sondern auch psychisch enorm unter dieser schwer zu behandelnden Krankheit.
Der Stuhltest zum Probiotikum
Daneben wird auf CEMETs Website noch ein dazugehöriges Produkt angeboten, das widerum „2bgracieux 360“ heißt und ein ausführlicher Stuhltest ist. Dieser ist mit (aktuell) 279€ gar nicht viel teurer als z.B. der ausführliche Darmflora-Test, den ich bei medivere gekauft habe. Trotzdem scheint ein noch einiges mehr zu enthalten, als ein handelsüblicher Test: Im Paket ist nämlich nicht nur die Analyse des Mikrobioms, Parasiten, Pilzen, Zonulin, Calprotectin und Verdauungsrückständen enthalten, es werden auch noch die individuellen Ernährungsgewohnheiten und verschiedene kognitive Parameter (Befinden, etc.) abgefragt. All das zusammen soll am Ende zu einer individuellen Handlungsempfehlung mit Empfehlung der richtigen Probiotika münden. Bei einem Test von medivere hingegen nur ganz allgemeine Erklärungen zur Bedeutung bestimmter Ergebnisse, ohne dass dies personalisiert wäre.
Ist das die Zukunft der Medizin?
Wenn der Test der CEMET tatsächlich so individuell ist, wie beschrieben, wäre das eine wunderbare Innovation auf dem Markt der Stuhlanalysen. Nicht ohne Grund hat sich CEMET laut ihrer eigenen Website der Präzisionsmedizin verschrieben. Leider bezieht sich die Analyse im Moment scheinbar noch ausschließlich auf die Ergründung und Behandlung von Adipositas bzw. Übergewicht und Essverhalten. Wenn das Beispiel allerdings Schule macht und auf andere Krankheitsbilder übertragen würde, könnte ich mir durchaus vorstellen, von einem solchen Service Gebrauch zu machen. Das Problem dabei ist natürlich noch, dass die Forschung längst nicht so weit ist, genau zu wissen, welcher Mikroben es bedarf, um welches Problem zu beheben. Das Zusammenspiel all der Organismen in unserem Darm mit unserer Nahrung, unserem Immunsystem und unseren Genen ist einfach unbeschreiblich komplex und noch längst nicht endgültig erforscht. Bakterien, die unter ’normalen‘ Bedingungen als hilfreich gelten, können bei anderen Krankheitsbildern plötzlich pathologisch wirken. Ich hoffe sehr, dass wir (die Menschheit) irgendwann so weit sind, jedem seinen persönlich zugeschnittenen Bakteriencocktail zur Genesung verabreichen zu können, aber ich fürchte, das wird noch ein paar Jahrzehnte dauern.
Total interessant! Vielen Dank für die erste Einschätzung!
Aber die haben doch ein zweites Produkt, oder? Cemet360 ist doch für alle nicht Übergewichtigen, bzw. da wird auch die Medikamenteneinnahme analysiert.
Danke für den Hinweis! Das Produkt scheint tatsächlich brandneu zu sein, als ich den Artikel geschrieben habe, gab es das offenbar noch nicht (oder war zumindest nicht auf der Website verlinkt). Ich werde mir das mal ansehen und ggf. ein Update schreiben! 🙂
Tolle Berichte zu den Test. Hatte gerade mein abgelaufenes Testkit (unbenutzt ;)) gefunden.
Gibt es ähnliche gratis-Tests, die dir bekannt sind?
Hallo Lisa, leider ist mir kein anderer Gratistest zur Zeit bekannt :-/ Da muss man wohl auf eine neue Studie warten oder darauf, dass die kommerziellen Stuhltests in Zukunft günstiger werden!